Sehr geehrter Herr Bezirkstagspräsident,
auf der Grundlage der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ wurden in Mittelfranken und Oberfranken Medizinverbrechen an geistig behinderten und psychisch kranken Menschen begangen. Zentraler Ort war die Heil- und Pflegeanstalt Erlangen. In unterschiedlicher Weise wird derzeit an den Standorten des Bezirksklinikums Mittelfranken an die Opfer der Euthanasiemorde im Nationalsozialismus erinnert.
Das Kulturreferat des Bezirks Mittelfranken arbeitet zusammen mit den Bezirkskliniken seit einigen Jahren an der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Euthanasiemorde in Mittel- und Oberfranken.
In Erlangen wurde ein umfassendes Konzept zur Entwicklung eines Erinnerungs- und Zukunftsortes am Standort der ehemaligen Heil- und Pfleganstalt („Hupfla“) erstellt. Der Bezirk Mittelfranken hat per Beschluss seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit bekundet; die Bezirkskliniken Mittelfranken sind Nachfolger in der Trägerschaft der ehemaligen Heil- und Pfleganstalt. Der Bezirk Oberfranken hat sich für den Zeitraum von 10 Jahren zur finanziellen Unterstützung bereit erklärt. Derzeit läuft ein Architektur-Wettbewerb mit dem Ziel, am Standort der ehemaligen „Hupfla“ und an weiteren Orten in der Stadt einen geeigneten Rahmen für die Umsetzung des Konzeptes zu schaffen. Dort soll es nicht nur um die bereits laufende umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung der Euthanasiemorde gehen; dort soll ein lebendiger Campus der Erinnerung, des Respekts, der Achtung und des Austausches entstehen, der auch die kritischen Auseinandersetzung mit Gegenwart und Zukunft von Medizinethik und Inklusion einschließt.
Das mittlerweile entstandene öffentliche Interesse wird ausdrücklich begrüßt und sollte weiter gestärkt werden. Für die Opfer der Euthanasiemorde gibt es bereits verschiedene Gedenkorte, aber bis heute keinen gemeinsamen Gedenktag.
In Erinnerung an die ermordeten Patient*innen wurde in Erlangen in den 90er Jahren von Mitarbeitenden der Heil- und Pflegeanstalt und späteren psychiatrischen Klinik am Europakanal ein Mahnmal vor dem ehemaligen Direktionsgebäude der Universitätsklinken am Maximiliansplatz 2 errichtet. Im Jahr 2007 wurden außerdem in direkter Nähe des Mahnmals Stolpersteine gegen das Vergessen für 27 jüdische Opfer der Euthanasie verlegt. Mittlerweile wurde auch eine Gedenkstele vor der Kinderklinik aufgestellt.
Das Bezirksklinikum Engelthal erinnert mit einem Mahnmal an die Patient*innen, die den Euthanasiemorden während des Nationalsozialismus zum Opfer gefallen sind.
Auf dem Gelände des Klinikums Ansbach gibt es eine Reihe von Gedenkorten, zuletzt wurde im Jahr 2012 ein Mahnmal errichtet. Das Bezirksklinikum Ansbach gestaltet jährlich eine Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus in der Heil- und Pflegeanstalt Ansbach. Im Mittelpunkt der Gedenkfeier in der Kirche des Bezirksklinikums stehen die zahlreichen Patient*innen, die im Rahmen der T4-Aktionen in Tötungsanstalten abtransportiert wurden und diejenigen, die an den Folgen mangelhafter Ernährung, Opfer des sogenannten „Hungererlasses“ wurden.
Die SPD-Bezirkstagsfraktion stellt folgenden Antrag:
Die Bezirksverwaltung wird beauftragt, in Erinnerung an die Opfer der Euthanasiemorde des Nationalsozialismus zusammen mit den Bezirkskliniken Mittelfranken und optional mit den Kommunen Ansbach, Engelthal und Erlangen einen gemeinsamen Gedenktag festzulegen. Die Stadt Erlangen hat hierzu bereits Interesse signalisiert.
An diesem Gedenktag sollen an den jeweiligen Gedenkorten nicht nur mit Kranzniederlegungen an die Opfer erinnert werden. Diese sind ein Ausdruck von Respekt und ein Signal gegen das Vergessen, werden aber in der Vielzahl der stattfindenden Gedenktage (Pogromnacht, Holocaustgedenktag u.a.) mittlerweile nur noch bedingt öffentlich wahrgenommen.
Für den gemeinsamen Gedenktag soll daher ein angemessener Rahmen entwickelt werden, der sowohl lebendiges Erinnern an die Opfer als auch die Auseinandersetzung mit der Gegenwart und Zukunft von Medizinethik und Inklusion einschließt.
Das bereits vorhandene öffentliche Interesse z.B. von Nachkommen (nicht nur) der Opfer, von Ärzt*innen und Pflegekräften der Kliniken, von Studierenden, von interessierten Bürgerinnen und Bürgern, einschließlich Jugendlichen soll dabei einbezogen werden, um eine Vielfalt von Ideen zur nachhaltigen Gestaltung des gemeinsamen Gedenktages zum Tragen zu bringen.