Mit ihrer dreitätigen Fahrt vom 9. bis 11. September war die SPD-Bezirkstagsfraktion einer Einladung des Kreishauptmanns von Südmähren gefolgt, der im Juli in Mittelfranken seinen Antrittsbesuch gemacht hatte. Bereits im März hatte eine Delegation des Bezirks Mittelfranken – darunter auch die Stellvertreterin des Bezirkstagspräsidenten, Christa Naaß, sowie SPD-Bezirksrat Dr. Horst Krömker – die Stadt Brno (Brünn) besucht und erste Gespräche mit dem Kreishauptmann Dr. Michal Hašek geführt.
Auf ihrer Reise absolvierte die Fraktion ein umfangreiches Programm mit politischen und kulturellen Schwerpunkten.Fraktionsvorsitzende Gisela Niclas zieht folgendes Fazit: „Eine hochinteressante Region, wirtschaftlich erfolgreich und voller kultureller Vielfalt! Es lohnt sich, Kontakte zu vertiefen und eine Partnerschaft zu begründen - erst recht vor dem Hintergrund der Wahlerfolge der politisch-populistischen Protestbewegung ANO bei den Regionswahlen am 7. Oktober 2016. Es gilt, Europa zu festigen und seine demokratischen Unterstützer zu stärken!“
Ziel der diesjährigen Informationsfahrt der SPD-Bezirkstagsfraktion war Brno, die Hauptstadt Südmährens. Auf die politische Initiative der Sozialdemokraten hin hatte der mittelfränkische Bezirkstag 2015 beschlossen, Kontakte mit einer Region in Tschechien zu knüpfen. Die Wahl war mit Unterstützung von Bundesaußenminister Walter Steinmeier, dem Auswärtigen Amt in Berlin sowie dem Generalkonsulat der Tschechischen Republik in München und dem Chef des Nürnberger Konsulats, Dr. Hans-Peter Schmidt, auf Südmähren gefallen.
Auf dem Weg nach Brno machte die Fraktion zunächst Halt in Tschechiens Hauptstadt. Bei einem Treffen mit Herrn Thomas Oellermann vom Prager Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung informierten sich die Bezirkspolitiker über die jüngsten politischen Entwicklungen in Tschechien. Nächster Programmpunkt war ein Gespräch mit dem Leiter des Sudetendeutschen Büros in Prag, Herrn Peter Barton.
Gegen Krieg und Unterdrückung
Danach ging es weiter nach Brno, wo die Fraktion noch am Abend den ehemaligen Luftschutzbunker 10-Z Husova besichtigte. Dieser Bunker, der den Nationalsozialisten während ihrer gewalttätigen Besatzung der Tschechoslowakei vor und während des 2. Weltkrieges und den nachfolgenden Machthabern auch als Folterkeller diente, dokumentiert heute die Sinnlosigkeit und den Schrecken von Krieg. Er ist gleichzeitig ein Mahnmal gegen Unterdrückung und Ort der Erinnerung und des Gedenkens an die tausende Opfer aus dem tschechischen Widerstand, die von den Nazis und den nachfolgenden Machthabern ermordet wurden.
Erforderlich: Dialog auf Augenhöhe
Am nächsten Tag empfing der, der CSSD (Sozialdemokratische Partei Tschechiens) angehörende, Kreishauptmann Dr. Michal Hašek zusammen mit seinem Stellvertreter die Bezirkstagsfraktion zum Gespräch über die politische Situation in Tschechien vor den Regionalwahlen sowie über aktuelle Situation der Europäischen Union. Bei der Diskussion grundlegender Themen wie z.B. der Entwicklung sozialer Gerechtigkeit, der Gestaltung der Energiewende und der Aufnahme von Flüchtlingen wurde das große Interesse der tschechischen Gesprächspartner an einem sachlichen „Dialog auf Augenhöhe“ mit der deutschen Bundesregierung, an politischem Austausch und einer Zusammenarbeit über Grenzen hinweg deutlich. Beim anschließenden Besuch der Masaryk-Universität, mit 36 000 Studierenden die größte der sechs in Brno ansässigen Hochschulen, informierten sich die Gäste aus Deutschland über die Studienmöglichkeiten in der Region und diskutierten nach der Begrüßung durch Vizerektor Dr. Ivan Maly mit dem Leiter des Zentrums für internationale Zusammenarbeit, Dr. Jan Pavlik über die europäische Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft und Forschung.
Die Masaryk-Universität: Unterstützung der Idee eines vereinten Europa
Einen beeindruckenden Einblick in die Unterstützung und Förderung behinderter Studierender gab abschließend Dr. Petr Peňáz, Leiter des Instituts Teiresias („Support Centre für Students with Special Needs“). Abgerundet wurde der Besuch der Masaryk-Universität durch eine Gesprächsrunde mit dem Politikwissenschaftler und Experten für die tschechisch-deutschen Beziehungen, Dr. Vlastimil Havlik. Alle Gesprächspartner lobten das Erasmus-Programm der Europäischen Union, von dem die Masaryk-Universität vielfältig profitiert. Sie erwiesen sich als leidenschaftliche Unterstützer der Idee eines vereinten Europa und zeigten sich höchst interessiert an Hochschulkontakten in die Metropolregion.
Ein Mönch zählt Erbsen…
Auch der Besuch des zur Universität gehörenden Mendel-Museums, das im ehemaligen Augustiner-Kloster untergebracht ist, stand auf der Tagesordnung. Hier hatte einst der Augustinermönch Gregor Johann Mendel anhand von Erbsen als Versuchspflanzen seine Vererbungslehre entwickelt. Die mittelfränkische Delegation gedachte anschließend am 1995 errichteten Gedenkstein im Klostergarten der 27.000 Brünner Deutschen, hauptsächlich Frauen und Kinder, die sich am 31. Mai 1945 sammeln mussten und dann auf einen langen Fußmarsch, dem „Brünner Todesmarsch“, in Richtung der österreichischen Grenze getrieben wurden. 5200 starben unterwegs an Entkräftung, Hunger, Durst und Typhus oder Erschießung durch tschechische Begleitmannschaften.
Der Brünner Stausee: Nachhaltige Energiegewinnung und beliebtes Naherholungsgebiet
Der Sonntag – erneut ein sonnenreicher Spätsommertrag – stand ganz im Zeichen nachhaltiger Energiegewinnung. Der Brünner Stausee dient aber nicht nur der Stromerzeugung mit Wasserkraft; er ist gleichzeitig ein beliebtes und sorgfältig gepflegtes Naherholungsgebiet. Bestens angebunden an das dichte und vorbildliche Netz der Brünner Straßenbahn, ermöglicht er vielen Menschen jeden Alters Naturerlebnis, Sport und Spiel. E-Mobilität sogar auf dem Wasser: Die Linienschiffe sind Teil des ÖPNV und werden aus Umweltschutzgründen elektrisch betrieben. Sie brachten die SPD-Reisegruppe völlig lärmfrei von Brünn aus zur Burg Eichhorn (Veveřί) am anderen Ende des Stausees und wieder zurück. Die Burg, vor Jahrhunderten ursprünglich der mährische Hauptsitz des Herrschergeschlechtes der Luxemburger, beherbergt aktuell eine Ausstellung über deren Regierungszeit. Sie hat eine wechselvolle Geschichte und Nutzung hinter sich, diente im Sozialismus u.a. als forstwirtschaftliche Lehranstalt und darf heute Denkmal und Museum sein.