Am 15. März hat die SPD-Bezirkstagsfraktion die gemeinnützige Behindertenhilfe Barmherzige Brüder im Gremsdorf besucht. In einem offenen Austausch mit den Verantwortlichen wurden die vielfältigen Probleme auf den Tisch gebracht, mit denen die Einrichtung seit längerem zu kämpfen hat. Vieles davon lässt sich 1:1 auf zahlreiche andere Träger im Sozial- und Gesundheitswesen übersetzen.
Gisela Niclas, Co-Vorsitzende der SPD-Bezirkstagsfraktion, betont die Wichtigkeit solcher Gespräche: „Der direkte Austausch mit Verbänden und sozialen Einrichtungen war uns als Fraktion schon immer wichtig, um besser einschätzen zu können, wo Handlungsbedarf für die Politik besteht. Durch Corona konnte das lange Zeit nicht effektiv erfolgen. Umso dankbarer haben wir das Gesprächsangebot aus Gremsdorf angenommen.“
An kritischen Themen mangelte es in der Runde nicht. Ein Hauptthema waren die Teuerungen bei den Energie- und Lebensmittelkosten. Die schlimmsten Befürchtungen haben sich zum Glück nicht bewahrheitet und in der Einrichtung habe man sich früh auf alle Szenarien vorbereitet, eine finanzielle Belastung sind sie trotzdem. Von Seiten des Bezirks hat man bereits während der letzten Haushaltsverhandlungen klar gemacht, dass in so einem Fall kein Träger im Regen stehen gelassen wird. Die Möglichkeit einer unbürokratischen Unterstützung ist vorhanden, das betonte der Co-Fraktionsvorsitzende Sven Ehrhardt.
Viel schwerer wiegen die Probleme auf Personalebene. Nach Ansicht von Ute Häußer, Geschäftsführerin der Barmherzigen Brüder in Gremsdorf, geht die Sache inzwischen weit über den allgegenwärtigen Fachkräftemangel hinaus. Ihr fehlen Arbeitskräfte generell, und das wird sich in den nächsten Jahren noch drastisch verschärfen.
Zum einen stehen viele Verrentungen an, zum anderen herrscht eine allgemeine Erschöpfung in der Belegschaft. Das zeigt sich in durchschnittlich doppelt so vielen Krankheitstagen wie vor der Corona-Pandemie. Zudem hat die angebundene Fachschule mit einer zu hohen Abbruchquote zu kämpfen und muss zum Teil bei der Qualität der Ausbildung unfreiwillige Abstriche machen.
Das Hauptproblem aus Sicht der Verantwortlichen liegt aber woanders. Viele gut ausgebildete Fachkräfte haben sich während Corona komplett aus dem Pflegesystem verabschiedet. Mangelnde Wertschätzung, eine starre, überbordende Bürokratie und auch so manche politische Entscheidung während der Pandemie haben die Abwanderungsbewegungen verstärkt. Vor allem im Bereich der Behindertenhilfe muss man sich inzwischen gegenseitig „die Fische von der Angel nehmen“, da kaum noch passend ausgebildete Fachkräfte auf dem Markt sind.
Für die Mitglieder der SPD-Bezirkstagsfraktion zeigen sich in diesem Gespräch drei wesentliche Baustellen auf:
Erstens: Die Bezirksrahmenleistungsvereinbarungen müssen künftig so gestaltet werden, dass man außerhalb der Verhandlungszyklen besser auf die Bedürfnisse der Träger reagieren kann. Gerade hier bitten die Mitglieder der Fraktion um Input seitens der Träger, um eine praxisnahe Lösung zu finden. Springerkonzepte, die in Bayern bisher nur modellweise existieren, können zwar den Mangel nicht beseitigen, sie könnten aber im ersten Schritt die Personallage spürbar verbessern.
Zweitens: Es braucht mehr Flexibilität und Durchlässigkeit unter den Pflegeberufen. Dafür muss die Ausbildung modularer gestaltet sein. Die Ausgebildeten wären dadurch breiter aufgestellt und könnten leichter zwischen Einrichtungen mit verschiedenen Pflege- und Betreuungsschwerpunkten wechseln. Damit verbunden braucht es auf Landesebene ein klares Umdenken, was den Stellenwert der beruflichen Schulen angeht.
Drittens: Es muss mehr bezahlbarer Wohnraum für die Angestellten und Auszubildenden in der Behindertenhilfe geschaffen werden. Mit diesem Problem, so stellten die Fraktionsmitglieder fest, sind die Leute in Gremsdorf sicher nicht allein. Es ist ein allgemeines Problem, das gerade in Bayern dringend angegangen werden müsste. Ländlich gelegene Einrichtungen wie im Falle der Barmherzigen Brüder betrifft dies jedoch nochmal besonders. Attraktiver Wohnraum in direkter Umgebung ist von essentieller Bedeutung, um Mitarbeitende zu halten oder gewinnen zu können. Man versucht sich schon als Vermittler auf dem Wohnungsmarkt, aber die Angebote sind überschaubar und oft von mangelhafter Qualität.
Am Ende zeigten sich alle Seiten zufrieden mit dem Gespräch. Ute Häußer betonte, dass sie nicht erwartet hat, dass die Fraktion mit einem Rucksack voller Lösungen nach Gremsdorf kommt. „Wichtige für uns war, dass die Politik kommt, um zuzuhören. Ein schriftlicher Appell kann schnell einmal untergehen.“
Die Fraktion nimmt auf jeden Fall einige Hausaufgaben mit, ist nach dem Gespräch aber voller Tatendrang. „Wir sehen uns mehr denn je darin gestärkt, unsere Forderungen in der Sozialpolitik energischer und vor allem zeitnaher voranzubringen.“, so fasst Sven Ehrhardt den Besuch zusammen.